Männer laufen mit Hüftschwung zu Hochform auf. Umjubelte Premiere von Ladies Night „Ganz oder gar nicht“ bei den Burgfestspielen. Bethges Inszenierung zwischen Scham und Lust...
Um es vorwegzunehmen: Komischer, sympathischer und erotischer können Männer kaum gezeichnet werden. Es begann alles ganz harmlos auf einem Parkplatz zwischen Mülltonnen und Plakatwand, die der Tristesse von sechs perspektivlosen Männerexistenzen den betonenden Rahmen geben. Kein Job, kein Geld, kein Selbstvertrauen aber aus einem Gag heraus die Idee, es den Chippendales der legendären Männerstrip-Formation gleich zu tun.
In den 1980er-Jahren entwarfen die Neuseeländer Stephen Sinclair und Anthony McCarten die amüsante Entwicklungsgeschichte sechs vollkommen unterschiedlicher Charaktere, die Regisseurin Corinna Bethge für die Burgfestspiele furios in Szene setzte.
Barry (Hagen Geburzi), der sich betont maskulin gibt, eine kindlich chauvinistische Freude an E-Gitarren hat und dem seine Freunde seit seiner Hochzeit einen „komödiantischen Überdruck“ bescheinigen. Craig (Ulrich Lenk), der lautstarke Macher der natürlich von allen bemerkt vor seiner Ehefrau kuscht erklärt sich selbst zum Manager der Truppe und schlägt mit dieser Entschlossenheit Graham (Herbert Schöberl) in die Flucht. Doch so richtig gelingt dem Quertreiber im Overall und Wochenendtapezierer der Absprung nicht. Immer wieder taucht Graham zu Tom Jones „Sexbomb“ auf der Burgtreppe auf, um mit zynischer Kritik seine einstigen Freunde und die Lachzentren des Publikums zu attackieren.
Gelegenheit dazu bieten ihm die Möchtegern-Stripper reichlich, haben die ersten Gehversuche auf der erotischen Showbühne doch bestenfalls karnevalistische Qualität. Dabei werden Kostüme und Bewegungen zu Knalleffekten, die dem Publikum spontane Lacher entlocken. So schwankt Wesley (Jubril Sulaimon), die „schwarze Perle Nigerias“, zwischen Potenzgehabe und Religiosität. Und verrät, kaum dass er seine Unterhose entblößt, ihm sei als Methodist öffentliche Nacktheit verboten. Anhaltendes Gelächter initiiert Gavin (Daniel Ris), der einfühlsame Denker, als er seinen Öko-Dress gekonnt unbeholfen mit römischer Toga tauscht.
Noch kann nichts mit der professionellen Tanzperformance mithalten, die Barbesitzerin Bernie (Marina Matthias) und Tänzerin Glenda (Miriam Kohler) präsentieren, doch gelingt es dem bauernschlauen Craig, sie zu einem Live-Auftritt für seine Jungs zu überreden. Die Potentiale sind da, und es ist an Glenda, diese in die richtigen Bahnen zu leiten...
Während der Pause wurde Norman (Markus Frank) als Liebling der Frauen gehandelt. Seine rhythmisch-sportgymnastische Darbietung brachte ihm fachkundiges Lob ein...
Nach der Halbzeit bekommt das Publikum eine atemberaubende Verwandlung geboten. „Was allein die Aussicht auf Erfolg ausmacht“, sinniert Gavin und spielt dabei nicht nur auf den neuen Zwirn der „Passion Gladiators“ an. Kurz bevor sich der Vorhang heben soll, gerät das neue Selbstbewusstsein noch einmal ins Wanken. Doch dann tauscht Gavin die Gesundheitssandalen mit High Heels und übernimmt im Goldlamé-Kleidchen die Conférence, womit Daniel Ris eine umjubelte Vielseitigkeit präsentiert. Und seine Partner stehen ihm in der furiosen Schlussshow kaum nach. Als Waldarbeiter, Rapper, Cowboy und Batman laufen Lenk, Sulaimon, Frank und Geburzi zu Hochform auf, die selbst Herbert Schöberl mit Hüftschwung aus seiner ironischen Kommentatorenrolle reißt.
„Ganz oder gar nicht“ lautet die über allem schwebende Frage des Abends, und als American-Footballer bewiesen die Männer, dass weniger oft mehr ist. Mit ihrer Inszenierung verstand es Bethge, stets zwischen amüsanter Überzeichnung und Geschmacklosigkeit zu unterscheiden und ihre Schauspieler zum Überschreiten peinlicher Grenzen und zu darstellerischen Höchstleistungen zu motivieren. Einen gelungenen Rahmen bot das klare Bühnenbild von Nikolaus Porz. Zwischen Mülltonnen konzentrierte die Drehbühne den Blick auf menschliche Befindlichkeiten und den schillernden Traum vom Ruhm. „Zu oft unter Niveau gelacht?“, fragt Gavin schelmisch. Das Publikum schien dies mit Lust getan zu haben und dankte dafür mit stehenden Ovationen.
> Wetterauer Zeitung, 9.7.07